Hortich-Stiftung in Aken wurde wieder zum Leben erweckt – Gründung geht auf das Jahr 1609 zurück

Matthias Bartl

Aken/MZ – Die Geschichte ist brandneu. Aber man muss, um sie komplett zu erzählen, die Uhr fast 400 Jahre zurückdrehen. Muss in die Zeit gehen, als das 17. Jahrhundert gerade erst begonnen hatte. Der Dreißigjährige Krieg würde erst neun Jahre später beginnen. In Nordamerika, um den Bogen weiter zu spannen, war die erste dauerhafte englische Ansiedlung zwei Jahre zuvor gegründet worden.

Da fanden sich auch in Aken Gründerväter zusammen. Gründer einer Stiftung, an der seinerzeit sage und schreibe 35 Familien ihren Anteil hatten. Und derjenige, der die Gründer zusammenbrachte, war Kilian Hortich, Pfarrer in der Elbestadt, der eine Schrift verfasst hat mit dem programmatischen Titel „Ein guter Antreiber“ und in der erklärt wurde „Wie man mit wenig Geld ohn einige Menschenbeschwerung und Widerwillen in der Stadt Acken an der Elben gelegen im Erzstifte Magdeburg ein immer werent Stipendium für die studierende Jugend hat aufgericht und angefangen, den 8. Juli, war der Chiliani Anno 1609.“

Das war sozusagen die Gründungsakte der Stiftung, die den Namen Hortichs trägt. Und die – durch die Widrigkeiten aller Zeitläufe hinweg – bis heute existiert. Und die jetzt, nach Jahrzehnten des Ruhens, zum ersten Mal wieder Geld an Nachfolger der Stiftungsgründer ausgeschüttet hat. „Kein Stipendium“, wie Pfarrer Ulf Rödiger und Peter Wieske betonen. Für ein Stipendium („Das wäre ja etwas anderes, etwas, von dem man leben kann“) reichen die Mittel der Stiftung weiß Gott nicht. Aber für ein Büchergeld schon. Und auch wenn die finanzielle Gabe als „einmalige Aktion“ deklariert ist, ist sie doch mehr: Sie ist ein Akt von historischer Dimension für Aken.

Denn mit der Entscheidung über die Vergabe des Büchergelds hat man ein Stück Geschichte der Elbestadt wieder zum Leben erweckt. Die Stiftung, eine der ältesten hierzulande, war eigentlich schon „vergessen“. Was nicht wundert, denn die letzte Sitzung der „Vierherren“, wie sich das Gremium nannte, das Jahrhunderte lang über die Verwendung der Stiftungsmittel entschied, hatte am 12. November 1955 stattgefunden. Peter Wieske war dabei, als jüngster Vierherr, neben Major a.D. Walter Scheele, Dr. Wilbert von Brunn und Hermann Ahrens aus Dedeleben. Alles Nachfahren der Familien, die einst die Stiftung aus der Taufe hoben. Und nun die Deckel des Stiftungsbuches schließen mussten. Wieske und von Brunn gingen 1957 nach Westberlin, „das war dann das Ende für die Stiftung“. Zumindest in ihrer Außenwirkung. Stipendien wurden zwar nicht mehr vergeben, „aber die Kirche“, so sagt Pfarrer Rödiger, „hat das Vermögen der Stiftung stumm und still verwaltet“. Allerdings nicht so, dass dieser Teil der Bewahrung der Stiftung kontinuierlich weitergegeben worden wäre. In der DDR-Zeit starb die Stiftung aus, jedenfalls in der Überlieferung ihrer Existenz. Es war ein schleichender Tod, begründet in der fehlenden Möglichkeit zu tagen.

Die sechs Hektar Äcker, die einst zum Stiftungsvermögen dazugehörten und deren Ertrag zur Finanzierung von Stipendien an Akener Bürgersöhne verwendet wurde, landeten beim VEG Mennewitz. Die allerdings geringen Pachteinnahme wurden auf ein Sperrkonto eingezahlt. Das Kollegium im „Exil“, Dr. von Brunn und Wieske, stimmte 1974 einer Entnahme zugunsten der Akener Kirchen zu. Zweckentfremdet, könnte man sagen, aber nicht ohne Zweck. So kam die Stiftung über die Wende. Peter Wieske erinnert sich, dass er sich einmal in den frühen 90-er Jahren beim Pfarrer nach der Hortich-Stiftung erkundigt hatte. „Vergessen Sie es, das ist verloren“, habe es geheißen. Die Posaune der Wiedererweckung erschallte dann aus einer unvermuteten Ecke. Im Landesverwaltungsamt (LVA) Halle hatte man – Stiftungen waren wieder opportun, ja wünschenswert geworden – Forschungen zur Stiftungsgeschichte angestellt und war dabei auch auf die Akener Hortich-Stiftung gestoßen. Erkundigungen bei der Kirche in der Elbestadt liefen zunächst allerdings ins Leere.

Pfarrer Friedrich Dickmann, inzwischen a.D., wurde aber von der Geschichte gepackt und fragte Wieske nach Hortich. Das war dann die letzte, entscheidende Initialzündung. Wieske hatte noch das Stiftungsbuch von 1616 in seinem Besitz – und gemeinsam mit Pfarrer Rödiger fuhr er zum Landesverwaltungsamt. Im Mai 2006 erhielt man die Anerkennung für die Stiftung. Das LVA hatte bereits einen Notvorstand von zwei Herren aus den bekannten Stammfamilien ernannt, die mangels Unterlagen eine neue Satzung erstellen sollten. Am Kilianstag 2006 bestand die Stiftung wieder, wenigstens mit erst einmal einem Vierherren plus Pastor. In dieser ersten Sitzung wurden die zwei Herren des Notvorstandes zu Vierherren ernannt.

Inzwischen sind es drei. Nachfahren aus drei der Familien, die 1609 zu den Gründern gehörten. Peter Wieske geht zurück auf die Familie, den Stamm, Modler. Eberhard Friedrich aus Geesthacht aus dem Stamm Bünger, Clemens Groth aus Springe auf den Stamm Müller Ascaniensis. Alle anderen Familien sind ausgestorben. Pfarrer Ulf Rödiger fungiert als Geschäftsführer der Stiftung und setzt damit die Funktion fort, die die Pfarrer von Aken qua Amt immer hatten – nicht als Kirchenvertreter, sondern als Person.

Und nicht nur das ist eine Anleihe aus dem Jahr 1609. „Die ganze Stiftung beruht auf der Satzung von 1609“, sagt Peter Wieske. Das LVA hatte dazu geraten , dann doch die alte fortbestehen zu lassen: „Sie lässt uns alle Freiheiten.“

Zwölf Generationen nach den Gründervätern standen nun die neuen Vierherren vor der Frage: Was tun mit der Stiftung? Die Idee mit dem Büchergeld bot sich an. Man suchte und fand 15 Adressen von Studierenden aus Hortich-Familien. Man schrieb 15 Briefe.

Und erhielt 15 Anträge. Von angehenden Theologen und Rechtsphilosophen, von Wirtschafts-Ingenieuren und Architekten. „Alle 15 bekommen etwas“, lautete der Beschluss. Etwa 100 bis 150 Euro pro Person werden es letztlich sein.

Die Aktion habe auch den Hintergrund, sich innerhalb der Familien bekannt zu machen, alte Verbindungen vielleicht neu zu beleben. Und auch um Mitstreiter für das Jahr 2009 zu gewinnen. Dann feiert die Stiftung das Jubiläum ihres 400-jährigen Bestehens. Das will man würdig begehen. Und danach überlegen, wie es mit der Stiftung, deren Einnahmequellen nur zart sprudeln, weitergehen soll. Alles ist offen. Aber vielleicht findet sich ja unter den Nachfahren ein neuer Kilian Hortich…

Quelle: Mitteldeutsche vom 17.01.2008

Studierende bekommen Büchergeld